Literarische Tiefen und emotionale Begegnungen
Stuttgart – Gestern, am 21. Oktober 2025, inmitten der laufenden Armenischen Kulturtage, entfalteten sich im Kulturzentrum an der Geißstraße 7 zwei literarische Veranstaltungen von herausragender Intensität. Der Vortrag „Zwischen Schwert und Phönix“ und die Lesung mit anschließendem Gespräch über „Miriams Farben“ waren nicht nur informativ, sondern auch tief emotional geladene Begegnungen, die die Zuschauer in die komplexe Welt der armenischen Literatur und Identität entführten. Geprägt von historischer Tiefe und persönlicher Erzählkraft, hinterließen beide Events ein Echo, das über die Stunden hinaus nachhallte.
Der Abend begann mit Dr. Elena Konsons Vortrag „Zwischen Schwert und Phönix – 2000 Jahre armenische Literatur im Spiegel historischer und moderner Texte“. Mit einer akademischen Präzision, die ihre Wurzeln in St. Petersburg – wo sie Klavierpädagogik und Kunstgeschichte studierte – und der Ruhr-Universität Bochum vereint, führte Konson das Publikum durch ein literarisches Panorama von außergewöhnlicher Reichhaltigkeit. Von den Hymnen des Mesrop Mashtots, der das armenische Alphabet schuf, über die Chroniken des Movses Khorenatsi bis hin zu den poetischen Stimmen der Diaspora wie Yeghishe Charents spann sie einen Bogen, der die bewegte Geschichte Armeniens widerspiegelt – von der Blütezeit des Königreichs über die Annahme des Christentums 301 n. Chr. bis zur Tragödie des Völkermords 1915 und der anschließenden Wiederauferstehung. „Die Literatur ist der Phönix, der aus den Trümmern der Unterdrückung aufsteigt“, betonte sie, und wies mit feiner Sensibilität darauf hin, dass die Geschichte des Landes unmittelbar in den Werken armenischer Schriftsteller – von zärtlicher Poesie bis zu bissiger Ironie – eingraviert ist. Ihre Analyse, angereichert mit Zitaten aus Texten wie den „Lamentationen“ von Sayat-Nova, ließ die Zuhörer die resiliente Seele der armenischen Kultur spüren, ein Thema, das in der Diaspora weiterlebt und neu interpretiert wird.

Den Abend krönten die Lesung und das Gespräch mit Iris Lemanczyk, die aus ihrem biografischen Roman „Miriams Farben“ vorlas – eine Hommage an die armenische Malerin Mariam Aslamazyan (1907–2006). Lemanczyk, deren Prosa mit einer lyrischen Schärfe glänzt, entfaltete das Leben dieser außergewöhnlichen Künstlerin, die sich gegen Widrigkeiten behauptete: Dreizehnmal von der Kunsthochschule geworfen, fand sie durch die Unterstützung von Lenins Witwe ihren Weg. Die vorgelesenen Passagen – von Aslamazyans Kampf um künstlerische Freiheit inmitten sowjetischer Zwänge bis zu ihrer triumphalen Anerkennung – rührten das Publikum zu Tränen. Besonders die Schilderung ihrer unerschütterlichen Leidenschaft für die Malerei, gepaart mit der Nähe zu ihrer Schwester Yeran, verlieh der Erzählung eine universelle Tiefe. Im anschließenden Gespräch öffnete Lemanczyk Einblicke in ihre Recherchen, die sie durch Archive und Gespräche mit Aslamazyans Nachkommen führte, und reflektierte die Bedeutung dieser Künstlerin für die armenische und internationale Kunstgeschichte.
Beide Veranstaltungen, von der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e.V. kuratiert, waren Meisterwerke der Vermittlung: Konsons akademische Eleganz und Lemancyks narrative Kraft schufen einen Raum, in dem Geschichte und Literatur sich zu einem lebendigen Dialog vereinten. Das Programm der Armenischen Kulturtage lädt dazu ein, die Vielfalt der Kulturtage bis zum 26. Oktober zu erkunden.

 
											
				 
			
											
				 
									


